Die wahre Geschichte : 16. Dezember 2003, Berlin

Ich fahre mit der Strassenbahn, in Berlin Tram genannt, zurück nach Hause.
Die Tram ist fast völlig leer bis auf eine jungen Mann, der wie ein Schnösel
gekleidet mit dem Gesicht zur Tür sitzt.
Ich setze mich auf eine Bank, sodass ich die Tür und den Schnösel
beobachten kann.
Mir fällt auf, dass er auf den Boden starrt und so geht mein Blick auch dahin.
Da liegt eine leere Becks Bierflasche direkt vor dem Eingang der Tür.
Zwei Gedanken: Gefährlich so eine Flasche am Boden und,
wenn ich die nehme krieg ich Pfand dafür.
Überlege noch einen Moment, dann steh ich auf, nehme die Flasche,
lass den Rest raustropfen, damit es mir nicht in die Tasche läuft
und packe die Flasche ein.
Ich freue mich eine gute Tat mit einem Vorteil für mich verbunden zu haben.
Da raunzt der junge Schnösel mich an:
"Machen Sie das zuhause auch, das Bier auf den Boden zu kippen?"
Ich bin erstmal völlig perplex.
Das hatte ich nicht erwartet. Ich dachte, dass das auch für ihn einsichtig wäre;
eine Flasche, die bei der Tür liegt ist doch eine Gefahr - der nächste, der unachtsam
ein oder aussteigt, rutscht vielleicht aus und verletzt sich womöglich noch.
Das versuche ich ihm auch zu sagen.
Er will das aber nicht einsehen und will mich bei der BVG anzeigen,
wegen Umweltverschmutzung. Er zückt sein Handy und fängt an,
darauf herumzutippen.
Mir wird kalt und heiss.
Was ist das nur für ein Blödmann?
Ich sage zu ihm: "Na dann zeigen sie mich mal an. Viel Spass auch noch dabei."
und hoffe, dass ich bald bei meiner Station bin um von diesem Verrückten wegzukommen.
Der Rest ist unangenehmes Schweigen. Schliesslich weiss ich nicht,
was ihm noch alles einfällt. Aber er scheint mich als genügend wehrhaft einzuschätzen
und greift mich nicht weiter an.
Tippt noch weiter auf seinem Handy rum.

Endlich meine Umsteigestation.
Nur schnell weg.

Armer Kerl. Wahrscheinlich hatte er selber die Flasche vor die Türe gelegt,
um jemanden darüber fallen zu sehen.
Und dann komme ich und mache ihm sein Spiel kaputt.
Klar dass er sich darüber ärgert.